Spiel, Satz und Sieg: Bernard Samson hat mich für sich gewonnen

In den vielen Spionage-Literatur-Gruppen auf Facebook stolperte ich immer wieder über den Autor Len Deighton und seinen Hauptcharakter Bernard Samson.

Bisher hatte ich noch nichts von Deighton gelesen dabei wurde er von manchen Kritikern „besser als Fleming“ bewertet. Das ist eine Ansage. Zeit also, diese Bildungslücke zu schließen.

Ich begann mit Berlin Game (auf Englisch, gibt’s natürlich auch nicht auf Deutsch)… und da fängt der Ärger eigentlich schon an. Es gibt keine aktuelle deutsche Ausgabe der drei Bernard Samson Trilogien. In den Achtzigern brachte zunächst der Bücherbund (1984) und anschließend Ullstein (1987) ein paar lieblos gemachte Ausgaben raus, die heute nur noch antiquarisch zu haben sind.

Warum so lieblos?

Warum lieblos? Zum einen, die Cover waren sogar für damalige Verhältnisse sagenhaft hässlich.

        

Zum anderen wurde der Wortwitz der drei Buchtitel Game, Set, Match vorschnell geopfert. Die Achtziger waren schließlich die Zeit von Bum-Bum-Boris und uns‘ Steffi. Spiel, Satz und Sieg hätte jemand, der zehn Mark für ein Hardcover ausgibt schon verstanden. Statt dessen wurden die Bücher der ersten Trilogie wie folgt betitelt: Brahms Vier (gähn), Mexiko Poker (häh?) und London Match (aha, geht doch, nur zu spät).

Die zweite Trilogie Hook, Line, Sinker wurde noch schlimmer behandelt oder mit um es mit Ullstein zu sagen: Geködert, Gedrillt, Gelinkt. Deightons dritte Trilogie hatte vergleichsweise mehr Glück: sie wurde gar nicht ins Deutsche übersetzt.

Es gibt ein kleines bisschen Hoffnung, denn Heyne hat gerade SS-GB, ein Stück Deightons über einen Alternativen Verlauf des Zweiten Weltkriegs, ins Programm gehoben. Zwar hauptsächlich wegen der erfolgreichen BBC-Verfilmung des Stoffs… aber immerhin. Vielleicht erbarmt sich dort auch noch jemand der eigentlich sehr unterhaltsamen und spannenden Samsons.

Zur Sache also. Warum würde ich nur allzu gern die drei Samson-Trilogien auf Deutsch aufgelegt sehen? Ganz einfach, weil sie großartig für das deutsche Publikum funktionieren würden. Sie spielen in den Achtzigern und stehen neben aktuell hochangesagten und in der gleichen Zeit angelegten Serien wie Deutschland ’83/’86 und The Americans.

Was ich auch mag: Samson ist, anders als die meisten Brit-Spies und anders als seine Vorgesetzten, kein Eton-Absolvent (oder einer anderen „Public School“). Er wuchs als Sohn eines britischen Geheimdienstlers in Berlin auf und kennt das Pflaster wie ein Einheimischer. Er hat in der Stadt viele Freunde, manche eher schattige Gestalten, und spricht einwandfrei Berlinerisch (was seine am wenigsten sympathische Eigenschaft ist). Er wird häufiger Bernd genannt als Bernard, und das immerhin im englischen Original.

Worum es in der Reihe geht

Die erste Trilogie beginnt im Jahr 1983, also auf dem absoluten Höhepunkt des Kalten Kriegs. Samson ist ein schnoddriger, seinen schnöseligen Kollegen und Vorgesetzen gegenüber respektloser, vorzeitig gealteter Spion. Allerdings ist er auch ein hervorragender Menschenkenner, außer wenn es um seine Frau geht. Außerdem ist er seinen Quellen und Freunden absolut treu, er ist hoch intelligent und voll und ganz der guten Sache verpflichtet. Vor allem die drei letzteren Qualitäten machen ihn zu einem guten Geheimdienstler und einem liebenswerten Helden.

My photo stared back at me from its silver frame. Bernard Samson, a serious young man with a baby face, wavy hair and horn-rimmed glasses, looked nothing like the wrinkled old fool I shaved every morning.

— Len Deighton, Berlin Game
Eben weil er kein Public School Schnösel ist, glaubt Samson immer wieder bei Beförderungen übergangen zu werden. Das Old Boys-Network hält zusammen, was seine Kollegen auch bei jeder Gelegenheit mit dummen Geschichten aus dem Internat zu bestätigen wissen. Er hat es im „Department“, dem Secret Intelligence Service (SIS), auch bekannt als MI6, trotzdem einigermaßen weit gebracht. Er ist also James Bonds Kollege. Eigentlich wäre er sogar 007s Chef, denn er ist kein Field Agent mehr sondern schon so etwas wie ein Abteilungsleiter.
Vom Stil her erinnert Deighton an das Spionageroman-Schwergewicht le Carrée, die Hauptcharaktere von beiden sind in sich gekehrte und nachdenkliche Typen, in allen anderen Punkten könnten sie aber unterschiedlicher nicht sein. Während Carrés George Smiley eher ein intellektueller Schreibtischtäter ist, ist Samson, obwohl längst aufgestiegen, im Herzen immer noch Agent im Feld. Er ist ein Anpacker.

Was ist da nur los?

Woran mag es liegen, dass Deighton in Deutschland vergleichsweise wenig Erfolg beschieden war? Es mag an Ullstein gelegen haben, aber das wäre zu einfach. Eigentlich hat grade die Samson-Reihe alles was einen Erfolg in Deutschland befördern würde: sie spielt in Deutschland, es geht um Ost und West, sie ist intelligent geschrieben. Aber leider von einem Engländer. Das wird es wohl sein. Wir Deutschen mögen das nicht so gerne, von anderen gesagt zu bekommen, wie wir ticken.
Dabei kennen die uns doch so gut. Deighton jedenfalls schon und der leider zu früh verstorbene Philip Kerr auch. Dessen Bernie Gunther Reihe wird grade wieder bei Rowohlt (Taschenbuch) und deren Label Wunderlich (Hardcover) neu aufgelegt und das mit der Zuneigung, die die großartigen Bücher von Philip Kerr verdienen.
Eine neue deutsche Bearbeitung wäre Deighton zu wünschen. Seine Bücher, und das deutsche Publikum, hätten es verdient.