Deutschland 86 – Spionage-Thriller in Weltklasseformat

Deutsche Serien im Spionage-Thriller Genre werden kommen. Das hoffte ich jedenfalls schon lange. Während „Deutschland 83“, die erste Staffel, bei RTL noch floppte, ist die Fortsetzung „Deutschland 86“ zumindest schon mal im Lizenzgeschäft hocherfolgreich. Hulu aus den USA, das französische Canal+ und der britische Channel 4 haben die Serie, die von der UFA als „Amazon Original“ produziert wurde, bereits eingekauft, viele andere Sender weltweit ebenso.

Nachdem ich „The Americans“ jedesmal sofort verschlang wenn eine neue Staffel in Deutschland abrufbar wurde und sehr traurig über das unvermeidliche Ende der Serie war, hoffte ich mit D83 meine Sucht ein wenig befriedigen zu können. Ich wurde nicht enttäuscht. Die Einschleusung eines „Illegals“ in die Bundeswehr, noch dazu ins Zentrum der NATO Großübung „Able Archer 83“ stellte sich als überraschend spannendes Setting heraus. Wenn man ein wenig darüber hinwegsieht, dass ein Mord an einem Offizier in einem fahrenden Zug und die Flucht von West nach Ost über die innerdeutsche Grenze mit Sicherheit deutlich schwieriger war als in der Serie dargestellt, wurde man gut unterhalten. Die Story war solide, die Einblicke in die deutsch-deutschen Alltagswelten im Jahr 1983 sehr interessant, die Musik großartig.

Nun also kommt eine zweite Staffel, exklusiv auf Amazon Prime Video. RTL hat die Rechte für die Free-TV Ausstrahlung erworben, dort wird die Serie wohl 2019 zu sehen sein.

Martin Rauch alias Kolibri steht wieder im Zentrum des Geschehens. Die HVA hat jedoch nun, drei Jahre später, ganz andere Probleme als sich für den Fall Rjan, einen Überfall der NATO auf den Warschauer Pakt vorzubereiten. Die DDR steht kurz vor dem finanziellen Kollaps. Die Milliardenkredite, noch 1983 von F. J. Strauß vermittelt, können nicht zurück gezahlt werden. Auch der Kauf von notwendigen Waren und Teilen für die Produktion im Arbeiter- und Bauernstaat wird zunehmend schwieriger da die Devisen fehlen. Die Mark der DDR ist nahezu wertlos und anders als die Sowjetunion hat die DDR keine nennenswerten Bodenschätze um sich zu finanzieren.

Der Pleite-Staat muss Umsatz machen

Entsprechend werden von der Führung alle Organe angewiesen die notwendige harte Währung zu beschaffen, D-Mark, Dollar, Pfund. Dazu wird eine Sonderkommission einberufen, der gemeinsam mit HVA-Chef Markus Fuchs die Ko-Ko Buchhalterin Barbara Dietrich vorsitzt. Während die Figur Fuchs noch sehr klar an Markus Wolf angelehnt ist, ist die von Anke Engelke gespielte Dietrich erfunden. Die Kommerzielle Koordinierung, Ko-Ko, und auch die in der Serie thematisierten innovativen Initiativen für die Devisenbeschaffung, wurden von Alexander Schalck-Golodkowski geleitet. Dieser war alles andere als ein Buchhalter. Der Stasi-Oberst war ab 1986 Mitglied im Zentralkomitee der SED und ein gewiefter Geschäftemacher. Müllimporte aus West-Deutschland, der Verkauf von Kunstwerken an Sammler im Westen, Medikamenten-Studien und auch Waffendeals mit afrikanischen Regimes waren solche „innovativen“ Projekte. Genau diese werden in der Serie thematisiert.

Die Masken fallen

Während in D83 noch der hochumstrittene NATO-Doppelbeschluss und eine sehr aggressive Manöverpolitik des Westens noch die Grundsympathie für den Ost-Agenten und seinen westdeutschen, friedensbewegten, bi-sexuellen Handler Professor Tobias Tischbier liefern, fällt in D86 die Maske des „besseren, friedlichen, demokratischen“ Deutschlands vollends.

Öffentlich verurteilt die DDR-Führung die Apartheid in Südafrika während die Stasi Deals mit dem Botha-Regime macht. Für die Geldbeschaffung werden Tote in Medikamenten-Studien in Kauf genommen und die Umwelt mit dem Verbuddeln von Wohlstandsmüll aus dem Westen geschädigt. Agent Kolibri schmuggelt High-Tech Waffen in ein Kriegsgebiet, stiehlt und tötet. Dennoch gelingt es den Serienmachern, wie den Machern von „The Americans“, dass man als Zuschauer mit dem Anti-Helden mitfiebert. Darsteller Jonas Nay vermittelt die innere Zerrissenheit des Kleinmachnowers sehr gut. Er ringt stets mit sich selbst und tut zwar meist was seine Herren in Ost-Berlin ihm auftragen, aber ebenso wie Philip in „The Americans“ handelt er wenn es drauf ankommt nach seinem Gewissen.

Abseits der großen Politik fällt ebenfalls die Maske des Arbeiterparadieses. In D83 lernten wir Annett Schneider, Martins Verlobte, kennen. Die leicht naive, dem abwesenden Martin untreue Lehrerin zeigt uns den Alltag in der DDR. Nacktbaden im See, Feiern mit Martins Verwandten, sich kümmern um seine Mutter. Die immer wieder von Nostalgikern beschworenen Dinge, die ja in der DDR nicht schlecht waren. In D86 wurde sie auf Vermittlung von Martins Tante und Vater in die Stasi eingeführt. Inzwischen sitzt Genossin Schneider in der Sonderkommission. Als Küken unter den verdienten Genossen zeigt sie sich zwar weiter naiv aber wenn es um die Umsetzung der „innovativen Initiativen“ geht ist sie eiskalt und durchsetzungsstark. Auch in der neuen Staffel zeigt Annett uns den Alltag, auch hier changiert sie zwischen naiv und durchsetzungsstark in der Darstellung. Morgens noch, in der Normannenstraße, arbeitet sie skrupellos mit an den verzweifelten Versuchen, Devisen zu beschaffen. Nachmittags, vor dem HO in Kleinmachnow, redet sie einem über eine verspätete Strumpfhosenlieferung mosernden Genossen ins sozialistische Gewissen. „In der DDR haben wir alles was wir brauchen, wir sind hier nicht in Rumänien,“ sagt sie und erntet Kopfschütteln. Sonja Gebhardt spielt die Rolle sehr gut.

Auch die weiteren Darsteller sind großartig. Hervorzuheben ist auf jeden Fall Florence Kasumba, die schon aus den Avengers-Filmen und Black Panther bekannt ist. Der Deutsch-Uganderin ist die Rolle der harten ANC-Kämpferin Rose fast auf den Leib geschrieben.

Die Bildsprache ist ebenfalls Weltklasse, weit besser als das was man vom deutschen öffentlichen Rundfunk gewohnt ist. Auch gegenüber der ersten Staffel haben die Macher hier noch mal zugelegt. Die Musik ist ebenfalls wieder grandios.

Fazit

Eine sehr sehenswerte Thriller-Serie. Unbedingt anschauen. Wer D83 noch nicht kannte, sollte die erste Staffel unbedingt anschauen bevor er mit der zweiten beginnt. Die Figuren werden nicht einführt, die Macher gehen davon aus dass die Figuren bekannt sind.

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